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Wege aus der digitalen Akten-Verwirrung

Gesundheitsakte, Patientenakte, Fallakte – und all das digital. Im Zuge der von allen Seiten geforderten Digitalisierung hört man immer wieder von unterschiedlichen Akten, die jederzeit barrierelos und über Sektorengrenzen hinweg verfügbar sein sollen. Die Begriffe werden allerdings häufig nicht trennscharf verwendet – vor allem die Bezeichnungen „Patientenakte“ und „Gesundheitsakte“ werden oft mehr oder weniger synonym benutzt, obwohl es durchaus Unterschiede gibt.

Die elektronische Patientenakte

Grundsätzlich bezeichnet die „elektronische Patientenakte“ (ePA) die Aufzeichnungen und Befunde der behandelnden Ärzte zu einem Patienten in digitaler Form. Darin enthalten sind neben schriftlichen Aufzeichnungen auch Bilder, Videos oder Tonaufnahmen. Die meisten Versorger, seien es Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte oder medizinische Versorgungszentren, führen mittlerweile elektronische Patientenakten, häufig noch als Ergänzung zur klassischen papiergebundenen Akte – auch wenn sich das in absehbarer Zeit ändern wird.

In Krankenhäusern wird oft von Patientenakten gesprochen, wenn von den Aufzeichnungen im Krankenhausinformationssystem (KIS) die Rede ist. Im KIS werden alle patientenbezogenen Daten gespeichert, die für die Planung der medizinischen Versorgung, die Abrechnung, das Controlling und die Dokumentation notwendig sind. Das KIS erleichtert zudem administrative Arbeiten, da zum Beispiel Arztbriefe direkt aus dem System heraus erstellt und abgelegt werden können. Trotz allem bietet die Patientenakte im KIS in den meisten Fällen keine vollständige Übersicht über die Behandlungshistorie, da immer wieder Daten aus anderen Informationssystemen und medizinischen Geräten fehlen. Zudem ist diese Akte nicht über die Dauer der Aufbewahrungsfrist unveränderlich und revisionssicher: die Datenstrukturen im KIS sind fast immer proprietär und eine mögliche Revisionssicherheit wäre spätestens mit der nächsten KIS-Migration hinfällig.

Hier kommt die sogenannte archivierte Patientenakte (aPA) ins Spiel, die mit einer speziellen Archiv- oder ECM-Software realisiert wird. In dieser Patientenakte fließen alle Behandlungsinformationen aus KIS, PACS, RIS und weiteren Systemen zusammen – egal ob originär elektronisch oder im Nachhinein digitalisiert. Die Formate der Inhalte sind „langzeitstabil“ und in vielen Fällen bieten moderne ECM-Systeme heute auch Migrationsschnittstellen, die einen etwaigen späteren Systemwechsel unterstützen. Sämtliche Dokumente und Daten können so revisionssicher und vor allem herstellerunabhängig entsprechend allgemeingültiger Standards langzeitarchiviert werden. Damit schafft man nicht nur die Grundlage für einen einfachen Zugriff auf Patienteninformationen im eigenen Haus sondern auch für den einrichtungsübergreifenden Datenaustausch.

Interoperabilität

Primär speichert also jedes Krankenhaus, genauso wie Arztpraxen oder MVZ, eigene einrichtungsbezogene elektronische Patientenakten. Damit aber, wie es Bundesgesundheitsminister Gröhe in seiner Eröffnungsrede zur diesjährigen conhIT auf den Punkt brachte, keine Befunde mehr in braunen Umschlägen von Arzt zu Arzt getragen werden müssen, ist Interoperabilität unabdingbar. Mit Hilfe von Kommunikationsstandards wie IHE können einzelne Dokumente oder Aktenteile zwischen den Systemen der Behandlungsbeteiligten ausgetauscht werden, entweder via Dokument-Link oder als Kopie ins eigene Archiv. Hierfür ist die Einwilligung des Patienten beziehungsweise eine fallbezogene Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht notwendig.

Bezieht sich der interdisziplinäre Austausch von Patientendokumenten allein auf einen Behandlungsfall, spricht man von der elektronischen Fallakte (eFA). Hier geht es eben nicht um einen einzelnen Aufenthalt, sondern die komplette Versorgung von der Diagnose durch den Hausarzt über Facharztbehandlungen, stationäre Fälle und ggf. auch eine Nachversorgung. Diesbezüglich gibt es in Deutschland bereits einige Pilotprojekte, beispielsweise im Städtischen Klinikum München.

Noch ist die intersektorale Vernetzung in Deutschland relativ gering ausgeprägt – wohl auch, weil sich niemand gerne in die Karten schauen lässt. Interoperabilität ist jedoch ein Standard, der sich nicht mehr aufhalten lässt. Einrichtungsübergreifende Patientenakten werden in Zukunft immer wichtiger werden.

Die elektronische Gesundheitsakte

Die sogenannte „elektronische Gesundheitsakte“ (eGA) verfolgt im Vergleich zur einrichtungsbezogenen Patientenakte ein weitreichenderes Konzept. Hier sollen, zunächst für gesetzlich Versicherte, medizinische Daten gespeichert werden. Das klingt zunächst durchaus ähnlich wie bei der ePA – allerdings können hier neben klassischen Inhalten, wie etwa Röntgenbildern, Laborbefunden und Angaben zur Medikation, auch vom Patienten selbst gesammelte Daten, zum Beispiel aus Fitness-Trackern oder Diabetes-Tagebüchern, gesammelt werden. Auch Verfügungen des Patienten, beispielsweise die Entscheidung für – oder gegen – eine postmortale Organspende, können in der eGA abrufbar gemacht werden. Mit der elektronischen Gesundheitsakte sollen demnach Gesundheits- wie Krankendaten einer Person orts- und zeitunabhängig verfügbar gemacht werden. Die Kontrolle, was wem, wann und wie offen gelegt wird, obliegt allein dem Inhaber der Akte. Weder Ärzte noch Krankenkassen können ohne dessen Zustimmung auf Inhalte der Akte zugreifen.

Noch fehlen praxiserprobte Konzepte, wie sich eine solche übergreifende Gesundheitsakte in Deutschland realisieren lässt. Doch wahrscheinlich ist, dass jeder Gesundheitsversorger aus Gründen der Rechtssicherheit weiterhin seine eigene einrichtungsbezogene Patientenakte führt. Über Standards wie IHE wird dann eine übergeordnete Gesundheitsakte mit eigenen Informationen gespeist bzw. die eigene Patientenakte um externe Dokumente angereichert. Eine unabhängige, standardkonforme Datenbasis wird für Gesundheitsversorger in jedem Fall eine unabdingbare Voraussetzung in einem vernetzten Gesundheitswesen.

Blick ins Ausland

Während in Deutschland – trotz aller Bemühungen und der Fortschritte in diese Richtung – eine einheitliche elektronische Gesundheitsakte noch Zukunftsmusik ist, wurde in Österreich bereits Ende 2015 mit der schrittweisen Implementierung der ELGA begonnen. In Dänemark können Patienten und Ärzte über das Portal „Sundhed“ auf Behandlungsdaten und persönliche Gesundheitsinformationen zugreifen, in Schweden wird bereits seit Jahren mit einer digitalen, nationalen Patientenakte gearbeitet. Deutschland hat also durchaus Nachholbedarf, was die Digitalisierung der Aktenstruktur im Gesundheitswesen betrifft.

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Das NEXUS / MARABU Redaktionsteam besteht aus Mitarbeitern verschiedener Fachabteilungen, die ihren Erfahrungsschatz sowie interessante News und Links zu Branchenthemen abwechselnd in unserem Magazin veröffentlichen.

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